top of page

Wann bin ich Feministin?


<Jeder sollte Feminist sein>

ist heute einfach gesagt. Doch was für Taten sollten solchen Worten eigentlich folgen?


Erst gestern begegnete mir der Schriftzug „I'm a feminist“ wieder beim Bummeln, in Schreibschrift auf ein Top gestickt. Für Gleichberechtigung zu kämpfen, ist momentan mondän. Gerne hielten Frau und Fräulein letztens noch farbenfrohe Gebärmütter in die Lüfte, die Trump den Mittelfinger zeigten; oder wetterten in sozialen Netzwerken. Ein <Girls power> hier und ein <We just wanna have fun...damental rights> da kann ja nicht schaden. Wenn man sich die rosarote Brille erst mal aufgesetzt hat, fühlt es sich zauberhaft an, mit seinen Schwestern vereint gegen das Böse (definieren wir noch mal später) anzusingen bzw. wie mittlerweile jeder hippe Hahn vom Dach zu krähen, dass es nun wirklich an der Zeit wäre, etwas zu ändern - aber wie? Gibt es ein Glaubensbekenntnis für die Feministin, oder kann sie ihm nicht einfach wieder alles in die Schuhe schieben?!


Fragen wie diese stelle ich mir mit kleinen zweiundzwanzig Jahren und fürchte mich schon jetzt vor meiner ersten Gehaltsverhandlung. Anstatt der Lehre von Matrizen hätte ich so etwas, oder generell Feminismus, gerne mal in der Schule behandelt, schließlich nehmen es im Alltag alle wie selbstverständlich in den Mund. Emanzipieren kann man sich angeblich auch selber bzw. sollen es die Flüchtlinge jetzt, so als händige man ihnen schon auf den Schlauchboten einen Lektüreschlüssel aus, denn ein Hijab hat hier nicht gut lachen und Machos sind out. Ist es damit allerdings schon getan? Was genau wollen wir eigentlich, wenn wir schon gleiches Wahlrecht und bald auch die Frauenquote genießen? Liegt es nicht stückweit an uns selbst, über gewisse Schatten zu springen, um jene besagte "Ungerechtigkeit" zu bezwingen?

„Wenn eine Woche vorher ein Mädchen im Bus wegen ihrer Kleidung vermöbelt wird, werde ich einen Teufel tun und ebenfalls in Shorts einsteigen!“, kommentierte meine türkische Freundin B. das tragische Ende der Emanzipation im heutigen Istanbul. Was soll ich dazu sagen?! Dass sie sich bitte aus Prinzip in aller Öffentlichkeit der Phallokratie widersetzen möge, selbst wenn sie dafür ein blaues Auge kassiert?! An diesem Punkt wird die rosarote Brille mir von der Nase gerissen; aus eigener Kraft ergrünt am Ende vielleicht doch nicht jeder Zweig? Und folglich ist Mylady wahrscheinlich doch auf Staat und Gentlemen angewiesen, um eine Art von Gleichberechtigung zu leben. Nichtsdestotrotz beschleicht mich das Gefühl, dass der Schlüssel auch hier im Detail liegt und wie gleichberechtigt ich als Frau behandelt werde, muss irgendwo auch mit der Haltung mir selbst gegenüber zusammenhängen. Kommt wahrer Feminismus am Ende doch von innen?



Dass Mädchen ihre Rolle selber wählen können (zumindest dort wo Feminismus hochgehalten wird), ist auf lange Hinsicht gesehen noch ziemlich neu. Selbst in Deutschland gab es bis 1977 ein Gesetz, welches dem Ehemann die Entscheidung überließ, ob die Gattin arbeiten durfte oder nicht. 30 Jahre später spiegelt sich diese feminine Zurückhaltung in Studiengängen wie Informatik, oder Maschinenbau wieder. Selbstvertrauen spiele dabei eine große Rolle, stellte auch die Bildungsaktivistin Reshma Saujani fest. In ihren Informatik-Kursen (bis 2020 will sie eine Millionen Frauen in Informatikstudiengängen sehen) begegneten ihr weitaus mehr junge Mädchen als Jungen, welche ihre eigene Blödheit für das Scheitern beim Programmieren verantwortlich machten. Die Jungen sollen eher den Zahlen die Schuld gegeben haben. <Teach girls bravery and not perfection> lautet also ihr Fazit. Sich seine und nicht die von den Eltern, Partnern oder der Gesellschaft vorgeschriebene Rolle auszusuchen, erfordert, glaube ich, mehr Mut als man oft denkt. Generell, sich seinen Neigungen und nicht den allgemeinen Erwartungen zu beugen. Hätten wirklich so viele meiner Freundinnen mit 16 das Hockey-Spielen aufgehört, wenn sie keine Angst vor Männerwaden gehabt hätten?! So lange eine Rolle aus freier Entscheidung gefällt wurde, fällt sie meiner Meinung nach in die Kategorie des Feminismus - ob es nun die Rolle der Hausfrau oder die der Abteilungsleiterin ist.

Dank Donald Trump wissen wir, dass auch Präsidenten Locker-Room-Talk führen (oder zumindest gab er dem Thema wieder neuen Glanz…). Was wir auch wissen, ist, dass Mädchen mindestens genauso fies und freudig über einander tuscheln. Vielleicht ist es uns in die Gene gelegt, bedenke man die unzähligen Feuer an denen wir auf unsere Jäger und Sammler warten mussten. Schön und gut, tut aber nichts zur Sache, denn netter bzw. emanzipierter wirken wir dadurch auch im traditionellem Sinne nicht. Oft wird mir dieser Verrat aus den eigenen Reihen bewusst, wenn ich im Park joggen gehe und besonders Frauen einen von oben bis unten abschätzig scannen. Das erklärt vielleicht auch, weshalb unser Body-Image am meisten von Frauenzeitschriften sein Fett weg bekommt - geschrieben von und für uns selbst. Letzten Herbst habe ich diesbezüglich eine Umfrage auf meinem Campus gemacht; wie wir Mädchen übereinander denken. <Hinterhältig>, <Schlangen>, <falsch> lauteten dort neben einigen wenigen Liebeserklärungen an die beste Freundin der Großteil meiner Ergebnisse. Wenn selbst Schwestern sich die Butter auf dem Brot nicht gönnen (soll ja vorkommen...), wie sollen wir jemals die Barrikaden des bornierten Machotums durchbrechen? Schwächen wir uns durch unsere Missgunst nicht selbst?

Wenn Partnerschaften eins sind, trichterte man mir schon früh ein, dann ein Kompromiss. Lange Zeit beinhaltete dessen gängige Version, dass er ins Büro spazierte und sie die Kinder kutschierte. In meiner Generation läuft das nicht mehr so indiskutabel, aber so lange wir nicht neue Kompromisse für die alten Kompromisse finden, haben wir ein Problem. Haben wir das?

Als ich mit 2o nach Israel zog, lernte ich zu meiner großen Überraschung mit einem Schlag zahlreiche Damen kennen, die ihrem Partner ebenfalls ins gelobte Land gefolgt waren. Jene Importbräute waren oft weder jüdisch, noch finanziell unabhängig und badeten frohen Mutes die Kompromissbereitschaft alleine aus, welche ein Umzug in eine fremde Kultur/Sprache/Religion so mit sich bringt. Auf zehn solcher Fälle kam mir gerade mal eine Geschichte mit einem männlichen Hauptakteur zu Ohren. Was verleitete diese Mädchen neben etwas zu viel Reiselust zur Immigration, wo doch Schicksen oder Goyim bei den "Auserwählten" noch nicht mal gerne gesehen sind?! Die Romantik? Oder Pragmatismus (nach dem Motto einer muss sich ja erbarmen?)?? Und warum sind es im Übrigen meistens die Frauen, die zu anderen Religionen übertreten? Geben wir Kompromissen eigentlich Raum?

„Niddah, sagt meine Heiratslehrerin, heißt wortwörtlich übersetzt „zur Seite Gestoßene“, aber das bedeutet es nicht wirklich, versichert sie mir eilig. Es ist nur das Wort, das man verwendet, wenn man sich auf die „Zeit“ einer Frau bezieht, die den beiden Wochen des Monats gilt, in denen sie nach dem jüdischen Gesetzt als unrein gilt.“

Mit diesen Worten beginnt die Autorin Deborah Feldmann das 6. Kapitel ihres autobiographischen Romans Unorthodox, welches von ihrer arrangierten Ehe handelt, sowie die „Zeit“ thematisiert, in der ihr orthodoxer Ehemann sie unter keinen Umständen berühren durfte. Der Ausdruck „zur Seite Gestoßene“, selbst wenn es sich nur um Unreinheit handelt, ist erniedrigend.

Ich bin nicht schmutzig.“ Deborah Feldmann, welche vor kurzem die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, hat mit ihrem internationalem Bestseller nicht nur Größe, Ehrlichkeit, Scharfsinn und Witz bewiesen, sondern Frauen ein äußerst musterhaftes Beispiel für Feminismus geboten. Sie mag von Extremen sprechen, die sie aus ihrer orthodoxen Gemeinschaft Williamsburg, Brooklyn, in die freie Welt trieben. Groß mag der Graben zwischen der ihren und der unseren Gesellschaft erscheinen, doch wie gleichgestellt ist unsere freie Gesellschaft eigentlich im Privaten bzw. im Schlafzimmer?


McClelland found that young women were more likely than young men to use their partner's pleasure as a measure of their own satisfaction. "If he's sexually satisfied than I'm sexually satisfied". Young men were more likely to measure their satisfaction by their own orgasm.

(Peggy Orenstein: What young women believe about their own sexual pleasure)


Vorwerfen kann man ihnen das nicht - und Frauen sollten das Gleiche tun. Egal wie alt man ist, oder wo und wie man aufwuchs - Feminismus sollte vor allem bedeuten, für den eigenen Körper einzustehen. Klare Regeln aufzustellen und nicht aus Verlustangst zu handeln. Sich zu weigern, als Parabel der Sünde verkauft zu werden, als ob die heiligen Blumen bereits zertreten wären... Und mit dem Orden der Parität sollten sich nur diejenigen schmücken, in deren Beziehung von gleichem Respekt und gleichem Spaß die Rede ist.

<Mutter! Ich brauche kein Blind-Date. Besonders nicht mit einer verbal-inkontinenten, alten Jungfer, die raucht wie n Schlot, säuft wie n Loch, und sich anzieht wie ihre Mutter>

sagte Mark Darcy so richtig in der wohl berühmtesten Single-Komödie aller Zeiten. Dass der Alptraum aller Dreißigjährigen (unter der tickenden Uhr kriechend) derart humorvoll auf der Leinwand zelebriert werden könnte, haben wir einzig allein Bridget Jones zu verdanken. Hollywood schuf selbstverständlich auch das männliche Pendant namens Jungfrau, 40, sucht..., doch wenn man mal ehrlich ist, stehen dieser tragischen Figur noch alle Türen offen, wenn man bedenkt, dass P.Picasso noch mit 80 ein Kind gezeugt hat. Bridget erinnert einen hingegen an das alt bekannte Stigma, dass man als Frau über 30 entweder Mutter oder erfolgreiche Karrierefrau zu sein hat, um nicht als absoluter Reinfall zu gelten. Sich von der hysterischen Damenwelt keinen Floh ins Ohr zu setzen lassen (und im Zweifelsfall irgendjemanden zu nehmen) und von der Gesellschaft mit Sprüchen wie „Frauen ohne Kinder und Hunde werden seltsam“ wahnsinnig machen zu lassen, hilft sicherlich nur ein gesundes Selbstbewusstsein - doch wer wenn nicht man selbst, kann einem das wirklich geben?!

<And the thing, btw, about entering legit adulthood is that you’re going to spend the rest of your g-dang life there. So take your hair out of that tight-ass ponytail and shake that self-inflicted responsibility off your shoulders> (Leandra Medine; 6 things I wish I knew when I was single)





Weißt Du… ich habe nette Freunde…. mit Geld!“, raunte Dr. Nichtsowichtig mir während unseres Interviews mit verheißungsvollen Augen vor versammeltem Kamerateam zu. Am liebsten hätte ich ihn geohrfeigt. Wochenlang hatte ich sein Spezialgebiet (med. Cannabis) recherchiert, um nun im jeden zweiten Satz von seinen billigen Avancen unterbrochen zu werden, die alles andere als einen professionellen Hintergrund besaßen. Stattdessen lächelte ich ihn weiterhin freundlich an, denn seine Midlife-Crisis hin oder her, benötigte ich einen tauglichen O-Ton. Später ließ ich seine Frechheit unter den Tisch fallen; etwas vorgefallen war im Endeffekt ja nicht (redete ich mir ein) und ein wenig peinlich war mir die Sache auch. Wie schlau war es wirklich, den Mund aufzumachen? Vielleicht entstände der Eindruck, dass ich ihn ermutigt hätte bzw. mit einem kurzen Rock aufgekreuzt wäre…


Frauen auf ihre Brüste, Haarfarbe, oder vier Buchstaben zu reduzieren, ist ein geläufiger Trick, der am besten funktioniert, wenn sich die Betroffene selber schuldig fühlt. Mit gehangen, mit gefangen… Unsere Furcht <Was könnten die anderen denken?!> ist meiner Meinung nach der größte Stein, der unserer Gleichstellung im Weg liegt. Die unbefleckte Unschuld zu spielen mag nach außen hin femininer, attraktiver wirken, man sollte die Kirche samt der heiligen Jungfrau (übrigens ein Übersetzungsfehler!) jedoch im Dorf lassen, sobald unsere Würde darunter leidet. Schwierig wird es nämlich dann, wenn jemand wirklich die Hand anlegt. Frauen sollten daher unbedingt ihre Vogel-Strauß-Politik überdenken; anstatt sich wie so oft selbst die Schuld zu geben und sich zum Aufstehen ermutigen - auch wenn das unangenehm oder peinlich sein könnte. Wie Virginia Woolf auch sagte: A feminist is every woman who tells the truth about her life.




Recent Posts
bottom of page