Musikalischer Genuss
Der Singvogel Cloves kommt aus Australien und definitiv bald raus. Hinter dieser großen Stimme versteckt sich allerdings ein ganz normales Mädchen und beim näheren Hinsehen scheint nichts charmanter als das
Die Momente, in denen man neue Musik entdeckt, sind Gold wert. Seitdem ich im Ausland lebe und nicht mehr häufig in den Genuss eines Automobil-Radios komme, passieren diese glücklichen Zufälle nur noch auf YouTube. Genau dort war mir vor fünf Jahren Lana Del Rey’s <Blue Jeans> vorgeschlagen worden, noch bevor sich irgendjemand für sie oder Video Games interessierte. Ein ganzes Jahr, so schien es mir, war sie mein wohl gehütetes Geheimnis, dessen rauchige Bel-Air-Stimme und melancholische Texte mir das Leben versüßten. Im sanften Schimmer meiner petunienfarbenen Tapeten und <Born to Die> im Hintergrund schwelgend, ließ es sich zu Schulzeiten herrlich auf dem Fußboden sitzen und Bildchen aus Modezeitschriften schneiden - anstatt Mathe-Hausaufgaben zu machen. Irgendwann löste <Summer Time Sandes> eine regelrechte Euphorie aus und bald darauf zirpte in jedem Werbeclip, jeder Kaufhausfiliale und jeder Fete Lana das West-Coast-Fräulein. Der Zauber verflog, vom Mainstream erstickt und die Künstlerin selbst wurde in einem Interview zitiert, dass sie lieber gerne tot wäre - was sie anschließend dementierte.
Entdeckungen wie diese sind selten geworden, denn nur wenige (unbekannte) Künstler können neben einem sensationellen Hit auch eine ebenso phänomenale Platte vorweisen. Meistens handelt es sich um gut gestylte Eintagsfliegen, denen die Luft ebenso schnell entweicht, wie sie aufgeblasen wurden. Gute Musik besitzt einen gewissen Tiefgang, der es einem ermöglicht, die Melodien eines Stücks jedes Mal ein bissen anders zu erleben, jedes Mal etwas Neues in ihnen zu entdecken. Diesem Kriterium nach zu schließen, sind sie hochwertig produziert und kommen einem nicht all zu schnell zu den Ohren wieder raus.
Als ich die Stimme der australischen Sängerin Kaity Dunstan zum ersten Mal vernahm (zufällig von Lana Del Reys Produzenten, Justin Parker, vertreten), erfasste mich eine ähnliche Vorfreude. Meine anschließende Recherche hielt ihr Versprechen. Abgesehen von meinem neuen Lieblingslied <California Numb> und <Everybody’s son>, veröffentlichte sie unter dem Synonyme Cloves (ich frage mich wie sie auf die Idee kam, sich nach einem Gewürz zu benennen…) eine Hand voll zauberhafte Songs. Manche mögen sie und ihr <Don’t forget about me> bereits in Jojo Moyes Seifenoper Me before You zu Ohren bekommen haben. Trotz des zunehmenden Erfolgs und dem Plattenvertrag mit Interscope Records bleibt Miss Dunstan jedoch cool. Ähnlich wie bei Ella O’Connor alias Lorde geht von ihr diese gewisse Gelassenheit aus, welche man auf Naturbezogenen Kontinenten wie Neuseeland oder Australien wahrscheinlich schon mit der Muttermilch eingeimpft bekommt.
"I always wanted to write my own album and perform live, I'm not really sure why. I just remember never wanting to get off the stage and everyone being drunk". (Kaity Dunstan). 1996 als Aussie geboren, suchte Cloves schon in jungem Alter die Bühne. Ihr Vater selbst kutschierte sie in ihrer Heimat Melbourne von Bar zu Bar, in denen sie minderjährig mit ihren Freunden auftrat und so manchem Hit ihre ganz besondere Note verpasste. Orientiert hätte sie sich seit sie denken kann an Künstlern wie Amy Winehouse, Etta James and Eva Cassidy. 2013 bewarb sie sich mit einem sensationellem Auftritt und dem <Song Brand New Key> für die zweite Staffel von The Voice Australia, wobei sie im Handumdrehen alle vier Juroren (unter anderem Seal, Joel Madden und Delta Goodrem) von sich und ihrer quirligen Ader überzeugte. Obwohl <Girls just wanna fun> ihr ein paar Folgen später das Ticket nach Hause bescherte, trug sie zwei Jahre später die Früchte dieser Teilnahme davon.
Jeder, der sich auf sozialen Netzwerken oder bunten Blättern ein Bild von der 20jährigen machen will, begegnet einer recht bescheiden wirkenden Elfe mit fragilen Zügen und einer Vorliebe für T-Shirts; wenig Make-Up oder schillernden Covers. Im starken Gegensatz zu Pop-Prinzessinnen wie Lana Del Rey oder Lady Gaga empfindet sie es als überflüssig, ihr Image modisch aufzupolieren. "I feel no need to accommodate myself and to be apart of any certain style or merciless moulding. Some days, I love clothes. Others, I can't be fucked to put on a t-shirt under my hoodie. I just dress for my personality on that day and unfortunately for those around me, it changes." Ohne mit der Wimper zu zucken, könnte man sie mit ihren Tomboy-Look in eine High School an die Golden Coast zurückwerfen und würde einem Indie begegnen, wie an jeder anderen Straßenecke auch. Ziemlich lässig
Mit ihrer Stimme (welche den Grundstein dieses distanzlosen Lobgesangs hier legte) hält Kaity alias Cloves allerdings nicht hinter dem Berg. Dunkel und und ein wenig melancholisch sorgt sie stattdessen sanft wie Samt für einen nach dem anderen Ohrwurm. Ähnlich wie Adele scheint sie über ein enormes Stimm-Spektrum zu verfügen, mit dem sie ihre Lieder gekonnt vertont und einen weder auf Band noch live ihr Talent bezweifeln lassen. Schreiben tut sie bzw. tat sie ihre Lieder bisher natürlich selbst (wie konnte es auch anders sein…), ihren ersten Song soll sie mit elf Jahren vollendet haben. "I'll start by humming along to a couple of different chord progressions, then I'll just mumble together a few words from the melody and go from there. Usually looking back over the lyrics I find an underlining meaning to the song." (Cloves)
Am 27. September wird sie den Pub Oslo Hackney in London zum Schwingen bringen. Stadien zu füllen, wäre ohnehin nicht ihr Stil. Denn was zählt, ist einzig allein die Musik und die Emotionen, welche sich hinter ihren Liedtexten verbergen und einem ihre Melodien so nah bringen. "I think my album isn't just autobiographical but it's also observational. It's centred around learning lessons about relationships, romantic or not, and the make-or-break moments within. It's kind of a journey of self-loathing to--hopefully--healing, but I haven't written that part yet."