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Lügen wie gedruckt

Wie wir uns vom Begriff der <Lügenpresse> in die Irre führen lassen und welchen Preis die Suche nach der Wahrheit mit sich bringt

"Sie verbreiten Lügen. Willkommen in der Medienwelt. So ist sie, die Presse", lautet einer der vielen Seitenhiebe, die Amerikas neuer President für so manchen Journalisten bereits übrig hatte. Ferner bezeichnete Trump die sogenannten Fake-News-Reporter (unter anderem die New York Times) als Feinde des amerikanischen Volkes. Wenigstens habe er nicht vor, so er selbst, Wladimir Putin nachzueifern und sie, die schreibenden Schwindler, einfach umzubringen - charmant! Sätze wie diese lässt ein Mann fallen, der sich auf dem G20-Gipfel von seiner Tochter vertreten lässt, einer Handtaschen-Designerin, die niemand gewählt hat. Er jedoch ist einer von uns, keine Frage!


D.Trumps Tweets mögen einem ein Lächeln auf die Lippen zaubern, weil sie durch eloquente Schlusswörter wie „Sick!“, „America First“, „I love Hispanics“, oder „this is true“ noch lächerlicher wirken, als sie ohnehin schon sind. Was die Presse betrifft, spiegeln sie jedoch einen gefährlichen Trend wieder, für den DT zweifellos den richtigen Riecher hatte. Wie oft die Presse wahrhaftig lügt, ist schwer zu sagen. Fest steht jedoch, dass man annehmen darf, dass nicht nur in den USA, sondern auch im europäischen Raum das Vertrauen in die Medien drastisch gesunken ist. Soziologen stellen dies oft als gesunde Impulse einer demokratischen Gesellschaft dar, deren Bürger den Medien genauso auf die Finger schauen sollten wie den Politikern. Wirklich warm ums Herz wird einem trotzdem nicht, wenn man von der eigenen Chefin zu hören bekommt, dass es eine solche Fülle an Hassbotschaften in der Vergangenheit so nicht gegeben hätte.

Mehr als jeder Vierte hält die Medien lediglich für ein „Sprachrohr der Mächtigen“ und wirft ihnen vor, den Menschen vorzuschreiben, was diese zu denken hätten. Medien und Politik würden Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren. Fast jeder Fünfte sagt, die Bevölkerung werde von den Medien „systematisch belogen“

(28. JANUAR 2017 • N. JACKOB, O. QUIRING, C. SCHEMER, T. SCHULTZ & M. ZIEGELE/

European Journalism Observatory )

Wohin die Furcht vor der vierten Gewalt selbst im 21. Jahrhundert führen kann (man hoffte aus der Geschichte gelernt zu haben…), zeigen insbesondere die letzten Inhaftierungen Erdogans. Weit über 100 Journalisten kamen seit dem Putschversuch vor einem Jahr in der Türkei hinter Schloss und Riegel, 150 Medien wurden dem Erdboden gleich gemacht, sowie 700 Presseausweise annulliert (Quelle: Reporter ohne Grenzen). Zu der Beerdigung der Demokratie sind keine Fotografen geladen, auch kritische Stimmen schupst man ins Grab. Erdogan persönlich schaufelt ihnen die Erde über den Kopf, langsam aber sicher ersticken sie am Dreck.


Fürchten wie in der Türkei müssen deutsche Journalisten ein nächtliches Klopfen an der Tür zwar nicht (damals waren es die Juden, jetzt ist es der kritische Journalist?!), doch selbst renommierten Medienhäusern dringt der Spottchor ans Ohr und von Achtung zeugt er nicht. Beispiel aus <Hasskommentare Reportage Dokumentation ARD Das Erste>: T. Du bist für mich persönlich ein wertloses Fot**gesicht, Du und deine verschrumpelte, geisteskranke Uroma Merkel, Ihr seid die größten rassistischen Todfeinde und Hetzer gegen Deutsche und Deutschland. Ebenfalls oft vermerkt: Ihr Journalisten gehört ins Gas.


<Eine Lüge muss man so lange wiederholen, bis sie Politik wird> heißt ein bekanntes Sprichwort. Hasskommentare, wie oben zitiert, spiegeln auf erschreckende Weise jenen höchst modernen Populisten-Tenor wieder, der dem Bürger unter dem Vorwand <Lasst Euch nicht verarschen> sein Informationsrecht, seine eigene Meinung madig macht. Ich werde nie vergessen wie die MOPO meine Mutter als pöbelnde Kaufmannsgattin bezeichnete, nachdem sich ein linksradikaler Demonstrant beim Marsch der Wir-wollen-lernen-Initiative 2009 vor ihr und einem Berufssoldaten zu Boden fallen lassen und lauthals geschrien hatte, er wäre geschlagen worden. Die Sache endete vor Gericht und meine Mutter in der Zeitung, obwohl sie dem Linksradikalen einzig allein den Mund verboten hatte, da eine solche Beschuldigung Berufssoldaten mühelos den Job kosten kann. Lügenpressen existieren in der Tat, wie wir am eigenen Leib erfahren mussten. Doch seit wann gehören die Öffentlich-Rechtlichen derart beschimpft? Wann haben sie sich ihren Ruf so dermaßen versaut?!


Zu ihrer Verteidigung muss man sagen, dass dem Leser durch die Digitalisierung Vorteile beschert wurde - der Presse jedoch nicht. Es hat ihren Angestellten nicht nur die Zeit gestohlen (denn News sind nur noch News wenn sie brandaktuell sind), sondern ihnen auch die Luft zum Atmen verdünnt. Vielen Redaktionen droht die Auflösung, Soziale Netzwerke konkurrieren mit 140-Zeichen-News, Arbeitsplätze werden durch Werbung ersetzt und Erfolge mit Klicks vermessen, weshalb wahrscheinlich gerne mal ein bisschen übertrieben wird, denn welche Überschrift kann es mit Sex, oder Gewalt aufnehmen?! Weder der Journalist, noch der Leser tun heute noch ein Auge zu, und versorgt werden will diese Maschinerie mit Statements (bevor Statements gemacht werden sollten) und der Wahrheit wie sich versteht.


Jene Suche nach der Wahrheit (oder wenigstens einer ihrer Facetten) setzt seriöse wie gewissenhafte Publizisten voraus, welche sich durch Talent, jede Menge Allgemeinwissen, eine gute Ausbildung, Tatendrang und grenzenlose Neugier, Ausdauer, Zeit für gründliche Recherche, wertvolle Quellen, die richtigen Kontakte, soziale Intelligenz, Meinungsfreiheit und den gewissen Grad von Anstand auszeichnen. Warum um Himmelswillen denken wir also immer noch, dass Nachrichten auf Bäumen wachsen? Etwa nur, weil das Internet sie uns ungefiltert entgegen spült?!



Journalism is printing

what someone else does not want printed.

Everything else is public relations - George Orwell



Journalisten sind keinesfalls Engel, diesen Gedanken kann man sich ebenso gut abschminken wie den Traum, dass hinter Gittern nur Schuldige sitzen. Wie in jedem anderen Gewerbe auch unterlaufen Journalisten Fehler, wenn man nur mal an die gefälschten Hitler-Tagebücher denkt…. Diese Fehler werden in Zukunft allerdings nicht seltener geschehen, wenn wir nicht aufhören, Informationen, Meinungen und Fazits auf Knopfdruck zu erwarten. Anstatt unsere Zungen mit dem Wort Lügenpresse zu betäuben und unser demokratisches Druckmittel eigenhändig fortzuwerfen (weil man ihm ja so oder so nicht trauen kann…), sollten wir es stärker vertreten. Dazu gehört auch, die direkte Konfrontation und das konstruktive Streitgespräch zu suchen; hässliche Kommentare raushauen kann jeder. Es gibt immer noch genug Menschen, die für unsere Frühstücksthemen ihr Leben riskieren, der Wille ist also da. Und Qualität kostet trotz der Sekundenschnelle des Internets Zeit und Zeit ist Geld. Wenn einem die Wahrheit also so am Herzen liegt, weshalb wünscht man sich zu Weihnachten nicht mal wider ein Abonnement?



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