top of page

Design à la Kunterbunt

Weshalb man sich in jungen Jahren farbtechnisch austoben kann

und welche Rolle Pippi Langstrumpf dabei spielt

Die Villa Kunterbunt aus Astrid Lindgrens Pippi-Langstrumpf-Geschichten hat bei mir bleibenden Eindruck hinterlassen. Nicht nur auf Grund ihrer unvergesslichen Bewohner, sondern vor allem wegen ihres stilvollen Chaos, das mich zunehmend an chaotische Studenten-WGs erinnert. Die Abenteuer der Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf und die ihrer Nachbarn Tommy und Anika erinnern einen mit erschreckender Ähnlichkeit an so manche Tätigkeit, die Studenten zu feier-fröhlicher Stunde schon in ihren vier Wänden anstellten. Vielleicht liegt das Geheimnis von Astrid Lindgrens Geschichten genau darin, dass Alt und Jung sich auf ein oder andere Weise mit Blödsinn wie Schrubber-Schlittschuh-Fahrten, unangekündigten Polizei-Besuchen, kuriosen Aufräummethoden, halsbrecherischen Nacht- und Nebelaktionen und nicht zu vergessen wundersamen Pillen identifizieren können. <Liebe kleine Krummelus, niemals will ich werden gruss.>



Aber das sei nur dahin gestellt. Nicht jeder Student lebt schließlich mit einem Pferd und einem Affen – auch wenn es manchmal so aussieht. Und wer hatte nach einem starken Becher Tee nicht schon mal Lust, Nicht-den-Boden-berühren zu spielen?! Das Design der Villa Kunterbunt spiegelt von der Dachspitze bis zum Limonadenbaum Pippis eigenwilligen (und nebenbei bemerkt sehr emanzipierten) Charakter wieder und vermittelt vor allem die Botschaft, dass es eine Zeit im Leben gibt, in der man sich nicht all zu ernst nehmen sollte.


Genau das tut man jedoch häufig, wenn man sein Zuhause designt. Von der Klopapierhalterung bis zur Parkettleiste soll dann alles Ton in Ton perfekt aussehen und nichts Geschmackloses das ästhetische Auge quälen. Genau wie in der Modewelt zählt der erste Eindruck auch beim Meublement und betont wie das Auto in der Garage am besten dezent die Brieftasche und selbstverständlich guten Geschmack. Eine perfekt gestylte Wohnung schmeichelt wie ein guter Haarschnitt, denn wer aus seinem Leben etwas macht, lebt nicht wie Hempels unterm Sofa. Aufgewachsen mit KitchenAid und Alessi-Brotkorb, wird einem das schon im Kinderwagen eingebleut. In Charakterhäusern leben schließlich Charakterköpfe … Also ganz wie in Hollywood oder bei Astrid Lindgren.









Dort wo ich herkomme, leben für gewöhnlich keine Hippies. Meistens unterschied sich die Inneneinrichtung der Vorort-Immobilie nur in der Wahl der Flamant-Farbe und wo immer man hinging und „Danke, dass ich da sein durfte!“ sagte, lächelten die Ahnen und Kinderportraits geflissentlich von den Wänden, betonte die Bücherwand den Intellekt, glänzten Designer-Lampen mit Antiquitäten um die Wette und in den Kinderzimmern rührte sich kein Zinnsoldat. Nichts da mit Kekse auf dem Boden backen, oder Konrads Spezialkleber. Auch bei mir zuhause passte die französische Bulldogge zum Fußboden und Kissen dienten allein der Dekoration. Die Gefahr, dass ich eines Tages in alte Muster zurückverfalle, ist groß. Es macht mich nervös, wenn der Vorhang sich mit der Tapete beißt.









Mal in einer Villa Kunterbunt zu leben, wäre demnach keine schlechte Therapie. PopUp erträgt man bestimmt kein Leben lang, aber als Student zieht man ja öfters um und Neonfarben geben einem wenigstens nicht wie bei IKEA das Gefühl, lebendig begraben zu sein. Außerdem wird einem in diesem Alter der Farbausrutscher noch verziehen. Und will man wirklich sein Leben lang nichts ausprobieren?! Vielleicht müsste man einfach mal alles Farbige zusammenwerfen und gucken, was dabei entsteht. Couchsurfing und Airbnb wären dadurch bestimmt interessanter und der Winter vielleicht nicht ganz so trist. Und wenn man doch mal einen kleinen Onkel (einen gepunkteten Gaul) mit nach Hause nimmt, weiß man wenigstens, dass man Spaß hatte.







Recent Posts
bottom of page