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Butterbrot Avantgarde


Studentenzeit

ist Leerer-Kühlschrank-Zeit. Da ist das revolutionierte Butterbrot genau das Richtige, um die Klausuren zu überleben

Meinem Vermieter stand bei seiner letzten Visite die Verwunderung sichtlich ins Gesicht geschrieben: „Ihr habt letzten Monat ja nur 16 Shekel (umgerechnet 4€) für Gas ausgegeben!“ Meiner Mitbewohnerin und mir selbst fiel dazu nicht viel ein. Dass wir kochen, konnte man dieser kläglichen Summe jedenfalls nicht ansehen. Doch wer tut das schon Anfang 20, lässt man Spagetti, oder Fertigpizza objektiv gesehen nicht als wahre Kochkunst gelten?! „Ich werde mir jetzt mal eine Packung Kartoffelpüree einverleiben“, verabschiedete sich meine Freundin von Skype, ihr Studentendasein derzeitig in Barcelona fristend. Ein Pulver ersetzte in diesem Fall die mediterrane Landesküche, mein eigener Ernährungsplan basiert in Tel Aviv zu 50% auf Haferflocken (obwohl ich hier an jeder Ecke Hummus und Shuarma geboten bekomme) und Rosenkohl konnte ich erst vier Jahre post Oxford-Aufenthalt wieder riechen (wo ich ihn ein halbes Jahr jeden Tag verzehrt hatte). Die gähnende Leere eines durchschnittlichen Studenten-Kühlschranks scheint einem mit einem Augenzwinkern zu verraten, dass man ganz viel Spaß woanders hat - oder einfach kein Geld.


Grundsätzlich droht man nicht zu verhungern, denn laben kann man sich am Ende des Tages immer noch an halb tot gekühltem Kantinen-Grünzeug. Brenzlig wird es nur in den heißen Klausuren-Phasen, wenn man feststellt, dass das Hirn weit aus besser unter der Zufuhr von gesunder/ ausgewogener Nahrung funktioniert (wer mutiert schon zu Aristoteles, wenn der Magen meckert?!). Zweitens, man jegliche Diät-Pläne von vorne rein über Bord werfen kann (was einen selbst meistens schwerer, das Portmonee allerdings leichter macht) und drittens realisiert, dass man auf Instagram zwar zahlreichen Food-Trends folgt, selber aber herzlich wenig Ahnung hat. In Zeiten wie diesen, würde man liebend gerne wieder Zuhause einziehen und vom Schreibtisch einer guten Fee <Bitte mach mir ein Bananenbrot!> zu trällern. Was mich auf eine (zugegeben) fabelhafte Idee bringt....







Weshalb das Brot in den letzten Jahren so in Verruf geriert, ist mir schleierhaft. Glaubt man all diesen Food-Trends, kann man sich guten Gewissens eigentlich nur noch von Smoothies und Chia-Samen ernähren; Nahrungsmittel, die in all ihren Modeerscheinung zunehmend an Vogelfutter erinnern. Wo meine Mutter herstammt, gibt es auf den zünftigen Höfen noch richtige Hausmannskost zu genießen - selbst gebackenes Brot mit frischem Schinken und einem Spiegelei zum Beispiel. Das gilt in Westphalen noch als ehrliche Mahlzeit, in der modernen Speise-Sprache ersetzt es den Satz „Lass das!“. Weizen hat man tragischer Weise und unleugbar genetisch verändert, was die Scheibe Weißbrot in die Ecke der unbrauchbaren Lebensmittel verbarrikadiert. Nichtsdestotrotz ist und bleibt ein Vollkornbrot (zum Frühstück serviert) meiner Meinung nach eine ehrenwerte Nahrungsquelle, hat Brot über Jahrzehnte doch die Menschheit leben und gedeihen lassen. Chia-Samen müssen so etwas erstmal unter Beweis stellen.


Eine meiner Ikonen und Kindheitsbegleiterinnen namens Astrid Lindgren hat das Butterbrot unzählige Male in ihren Geschichten zu Wort kommen lassen. Dort kam es wahrscheinlich nicht aus einer Massenfabrik, trotzdem brachte sein simpler Klang die Verheißung einer wahren Köstlichkeit mit sich und noch heute kriege ich bei dem Wort Butterbrot Hunger. Hunger hat man während dieser nicht enden wollenden Lerndrei leider ständig (ich bin durchaus dankbar, mich bilden zu dürfen - wirklich Spaß machen Klausuren trotzdem nicht). Nur an Zeit und Muße mangelt es jetzt, sich Großmutter’s Rezepten und der beglückenden Hausmannskost zu widmen. Als ich neulich in einem Küchen-Experiment jedoch Spiegelei über Ziegenkäse und Avocado in einem „Dialog von Pumpernickel“ (Worte eines Gourmets?!) türmte, schmeckte dieses Butterbrot Avantgarde auf einmal wie das reinste Festmahl. Und gekostet hatte mich seine Zubereitung fünf Minuten.


Ich könnte hier ewig fortfahren und von Lachs-Schnittlauch-Gedichten und Camembert-Marmelade-Sonetten schwärmen und die furchtbar modische Avocado besingen - dies erspare ich Euch jedoch. Im Netz wimmelt es nur so von Rezepten, die einem das Wasser im Mund zusammen laufen lassen und wenn man davon immer noch nicht überzeugt ist, wartet Supermodel Doutzens Schwester Rens Kroes mit den schönsten Power-Food-Ideen auf Instagram. Das belegte Brot hat dank seiner Kraftzufuhr und wandelbaren Identität generell jedoch ein Comeback verdient - Weizenintoleranz hin oder her.



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