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Der Raupen-Look

Seitdem ich in Tel Aviv lebe, stehe ich vor einem Kleider-Rätsel.

Das hat jetzt ein Ende

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Ganz besonders kniffelig wird es, wenn man auf einer israelischen Hochzeit eingeladen ist und nicht weiß, ob alle mal wieder in Jeans und T-Shirt antanzen (um der Braut nicht die Show zu stehlen, wie sie behaupten…), oder sich in ausschweifende Polyester-Roben hüllen, die unter ihren Türmen von Haar bei jedem Schritt rascheln wie ein Igel im Laubhaufen. Die simple Hut-Kostümchen-Masche zieht hier nicht, was meinem stilsicheren Auftreten meistens eine Trefferquote von 50% verleiht. Gleichzeitig erinnert es mich an die traurige Wahrheit, dass ich Fremden wahrscheinlich leider doch irgendwie gefallen will.


Dress-Codes haben sich hier in der Wüste im wahrsten Sinne des Wortes verirrt - sie sind spurlos verschwunden. Als Europäer empfinde ich die Qual der Wahl zwischen definitiv under- oder definitiv overdressed äußerst nervenaufreibend und meistens gebe ich auf, noch bevor das Modekarussell begonnen hat, sich zu drehen und verlasse mich auf meine weiße Bluse. Die ist zwar nicht gerade einfallsreich oder individuell, aber brachte es dennoch fertig, mich neulich in Verlegenheit zu bringen. Schneeweiß saß sie in einem von Tel-Avivs berühmten Coffeeshops und signierte über einem Goldstar, als einer dieser lustigen Neunmalklug daher getrabt kam, um mir weis zu machen, dass A der Unabhängigkeitstag noch bevorstand und B mir das Alleinsein aber ganz gut stehen würde. Da war ich gerade zwei Tage Single und hätte ihm am liebsten mein Bier nachgeworfen. Doch kichernd machte er die Biege und mir fiel wie Schuppen von den Augen, dass man in Tel Aviv weiße Blusen für gewöhnlich nur in der weißen Nacht zu sehen bekommt, welche anderen Singles am Unabhängigkeitstag signalisieren, dass man herzlich gerne zum Anbändeln bereit steht.


Dieses Land macht mich (modisch) fertig. Es scheint als seien alle Regeln gebrochen, vielleicht gerade weil man am Zeitungs-Kiosk vergeblich nach der Vogue sucht. Als ich meinen Ex endlich zu einem cremefarbenen Jackett überredet hatte (fast hätte ich einen Europäer aus ihm gemacht…), fragte man ihn während seiner Konferenz am laufenden Band, ob er auf dem Weg zu einer Bar Mizwa wär - so viel dazu. Das cremefarbene Jackett oder die Anleitung zum Außenseiter-Sein.


Aus heiterem Himmel fiel dann aber doch die Lösung des Problems: Der Raupenlook. Wenigstens in Frauensache. Entdeckt hatte ich ihn an Mauerblümchen Jennifer Lawrence, welche zu einem leicht transparenten, himmelblauen und bodenlangen Tüllrock (in den man außerdem noch goldene Sterne gewebt hatte) nichts anderes als einen grauen Wollpullover kombinierte. Zusammen wirkte das lässig, elegant und einfallsreich (was will man mehr, wenn eine unbekannte Menschenmasse auf einen wartet) und weder verschroben (was eine Jeans aus dem Pulli gemacht hätte), noch zu aufgebrezelt (das wäre das Resultat von Top zu Rock gewesen). Für mich ist Jennifers Clou die famose Ergänzung des Zwiebellooks/ in diesem Falle scheint mir Raupen-, oder Schmetterlings-Outfit jedoch passender. Egal in welchem Umfeld man sich befindet, ist man dank ihm nicht in eine einzige Schublade verbannt, sondern kann sich dem Moment hingeben. Merkt man, dass man an Pailletten nicht hätte sparen sollen, kann man den Pullover immer noch in die Ecke werfen und sich flugs in einen Schmetterling verwandeln. Ist man jedoch der Feuervogel im Raum, unangenehm beäugt, wird die Wolle den notwenigen Dämpfer liefern.


In diesem Sinne mache ich mich zur Abwechslung mal auf die Suche nach einem ausgefallenen Stück Tüll. Aber wehe, der hat keine Sterne!

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