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Was wäre Weihnachten ohne Chanukka?

Von Weihnachtsstimmung konnte in Tel Aviv nicht die Rede sein. Doch was hat es eigentlich mit dem jüdischen Lichterfest auf sich? Ist Chanukka der Ursprung aller Heilig Abend?

Viel Spaß bei Eurem Hanuta-Fest!“ waren die Worte, mit denen sich meine Mutter grinsend genau vor einem Jahr von Skype verabschiedete. Vielleicht, weil es das erste Mal war, das jemand aus unserem Stammbaum Chanukka feierte. Oder weil sie einfach nicht begreifen konnte, wie man so blöd sein konnte, auf das schönste Kapitel des Jahres zu verzichten - die Weihnachtszeit. Jesus Geburt interessiert an meinem aktuellen Standpunkt allerdings nur 2,1% der Bevölkerung. Folglich funkeln in den Straßen von Tel Aviv keine Girlanden, auf dem Rathausplatz verkauft niemand Glühwein, oder Holzschnitzereien aus dem Erzgebirge. In den Kaufhäusern wirbt niemand für Last-Minute-Geschenke und aus dem Radio trällert niemand „All I want for christmas“.


Als Kind hätte ich eine solche Abstinenz nicht verkraftet. Geboren am 1. Dezember (damit fing der Monat schon mal gut an!) entpuppte ich mich schon früh als Wintermensch und Weihnachtsfanatiker. Heute überfällt mich das Christkind aus dem Hinterhalt, wenn ich plötzlich an einer Hand abzählen kann, wann Heilig Abend ist und ich noch keinen einzigen Gedanken an Geschenke verschwendet habe. Womit die Ausrede für einen Weihnachtskalender perfekt ist, denn Palmen und die leichte Brise Tel Avivs erwecken Frühlings- und nicht Weihnachtsgefühle.

Aber da war ja noch Chanukka! Das Lichterfest und Weihnachten sind dieses Jahr auf das selbe Datum gefallen. Juden haben sich am 24. jedoch nicht an die Geburt Jesu, sondern an den erfolgreichen Makkabäer-Aufstand, sowie an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels erinnert. Die hellenisierten Juden hatten es 164 vor Christus gewagt, dort einen Zeus-Altar zu errichten und somit JHWH dem griechischen Gott gleichgesetzt. Nach dem siegreichen Gemetzel war nur noch ein einziger Krug von geweihtem Öl vorhanden und die Menora drohte zu erlöschen, was jedoch niemals geschehen sollte. Das Wunder von Chanukka erzählt, dass der Tempel sieben Tage lang erleuchtet war.

Letztes Jahr pustete ich vorm Zubettgehen inbrünstig die gesamte Menora aus, als mein Freund völlig außer sich „Was tust Du da???!“ rief. Einen größeren Fauxpas hätte ich mir im Nachhinein nicht leisten können - dass man die Kerzen ausbrennen lässt, hatte mir allerdings auch mal einer verklickern können.



<Weihnachten erinnert einen Juden wieder daran, den Kürzen gezogen zu haben> - lautete for einem Jahr ein Post auf meiner Facebook-Wall. Zynisch klang das zweifellos, doch den Weihnachtsbaum gegen einen Kerzenständer eintauschen?! Von Himmlischen Chorälen, Gans und Spekulatius nur noch träumen?! Weshalb sträube ich mich schon bei dem Gedanken, nicht mehr an den Weihnachtsmann zu glauben und mich stattdessen auf einen Kerzenständer zu besinnen?


Die Sage des Lichterfests besingt die nicht erlöschenden Öllampen des Tempels. Ebenso erinnern unzählige Strophen von Weihnachtsliedern an das Licht, welches in die Dunkelheit getragen wurde, oder preisen den Stern, der so hell und klar erstrahlte, dass er den Drei Heiligen Königen den Weg wies. Von dem achtarmigen Leuchter, dessen Kerzen man Tag für Tag entzündet, scheint unserer Adventskranz abzustammen, wenn auch nur mit der Hälfte der Lichter.

Am Tag des Lichterfests schert man die Familie um sich, entzündet die letzte Kerze, singt feierliche Chanukka-Lieder wie Maos Zur (Aschkenasisches, aus Deutschland stammendes Lied aus dem 13. Jahrhundert) und bricht anschließend gemeinsam zum Gottesdienst in der Synagoge auf. Anschließend werden Süßigkeiten und in Öl gebackene Speisen aufgetischt (Anspielung auf die Segnung des geweihten Öls) und Spiele gespielt. Heutzutage findet sich selbst der Brauch des Schenkens im Lichterfest wider, was als Prägung einer christlichen Gesellschaft verstanden wird. Ebenso lassen wir uns heute kurz nach Weihnachten an Silvester Berliner schmecken, welche in Israel zum Verwechseln ähnlich als Sufganiot für Chanukka herhalten.


Was kommt mir an Weihnachten also so grundverschieden vor? Feiern wir nicht im gleichen Sinne? Mit der Familie zusammen zu kommen, in den Gottesdienst zu gehen, besondere Speisen zu kochen, Lieder zu singen und sich an möglichst vielen Lichtern zu erfreuen?! Wen wundert es bei all diesen Parallelen noch dass ich vor einem Jahr auf dutzende Chrismukka-Partys spazierte, wo erst mit feierlichem Gesang die Menora erleuchtet und anschließend um einen Weihnachtsbaum gerockt wurde?!


Israel ist ein Land, in dem sich Religionen vereinen (wenn auch in unterschiedlichen Proportionen). Jesus wurde von der Jüdin Maria im Land Israels zur Welt gebracht, was das unzertrennliche Band zwischen dem Christentum und dem heutigen Krisengebiet am Mittelmeer spannt. Infolgedessen finde ich es umso spannender, die Parallelen unserer Traditionen zu erforschen. Besonders in Zeiten in denen die Wunden des Holocaust noch heilen und der Islam in seiner brutalsten Ausführung auf die westliche Welt kracht. Am Ende haben wir nämlich alle voneinander abgeguckt.


In diesem Sinne frohe Weihnachten!



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