Fräulein Oberwichtig
Die blasierte Miene ist ein äußerst beliebtes Accessoire. Was lässt einen die Nase ganz oben tragen, wenn man doch genauso gut nett lächeln könnte? Ist Arroganz die neue Eleganz?!
Die einen haben zu viel, die anderen zu wenig. Selbstbewusstsein und seine abstruse Verteilung geben in unserer selbstverliebten Gesellschaft schon lange Rätsel auf. Ahnen lässt einen jenes Mysterium nur, dass zweifellos auch hier die Dosis das Gift macht.
Jeder kennt das Gefühl, wenn neben einem jemand her stolziert und sich selbst und der Welt mehr als genug zu sein scheint. Die Hand reichen sich in diesem Fall meistens Schönheit und Reichtum, denn wer von beidem nichts übrig hat, muss sich ins Zeug legen und anders bei seinen Mitmenschen punkten. Bei den Nase-Hochs ist das ein bisschen anders, denn meistens mangelt es nicht an Bewunderern und zusammen ergeben sie diese gewisse schillernde Herde (weil natürlich nur Ebenbürtigen das Mitlaufen bzw. Nachahmen gestattet wird). Oder anders gesagt, den berühmt berüchtigen Cheerleader-Effekt.
Gucken diese Menschen jeden Morgen in den Spiegel und sagen Ich bin toll, toll, toll?? Oder wird Ihnen quasi als Geburtsrecht alles hinterhergeworfen? „Ich habe besser nicht zu viel davon!“, bemerkte Freundin A. neulich auf dem Campus Kaffee-Treff (täglicher Showrun der vom Glück Begünstigten), „ich glaube nicht, dass das gesund ist!“
Gute Frage! Viel mehr interessiert mich allerdings, was die Hans-Guck-in-die-Lufts daran hindert, Inspiration in anderen zu finden?! Das scheint ziemlich schwer zu sein, wenn das eigene Selbst zu viel Platz im Universum beansprucht. Denn das ist es, was ich abgesehen von ein bisschen Demut außerdem vermisse: Die Neugierde!
<Arroganz ist die Eleganz der Geistlosigkeit>
Elmar Kupke (*1942), deutscher Aphoristiker und Stadtphilosoph
Quelle: »Der Stadtphilosoph 2«
Wenn man genauer nachdenkt, scheint das Leben fast zu kurz, um das ultimativ Beste aus sich herauszuholen. Zu viele gute Beispiele tanzen da täglich an einem vorbei, oder werden einem von den Medien noch brühwarm unter die Nase gerieben. Ob es sich nun um Intelligenz, Talent, Schönheit oder Großherzigkeit handelt - an sich zu arbeiten gibt es doch im Grunde immer etwas! Nicht jeder scheint das allerdings für nötig zu halten, das kann man ihnen schon an den gehobenen Brauen und den geschürzten Lippen ablesen. Umgeben von dieser Aura der "Unerreichbarkeit".
Es gab Zeiten in denen mich ein solches Auftreten in gewisser Weise faszinierte, vor "Collness" nur so stroztend. Heutzutage amüsiert es mich eher - auf was genau ist Fräulein Nase-Hoch eigentlich so stolz?! Dass Mami und Papi ihre Gene besonders günstig zusammenwarfen und ein nettes Gesicht dabei entstand? Oder ihr ein dickes Taschengeld zusteckten und die Lizenz zum Verschwenden gaben? Beeindruckend...!
<Blasiertheit: Diese Krankheit ist unter uns weit verbreitet, wo Müßiggang und Überfluß schnell die Sinne abstumpfen und selbst die Jugend in eine Gleichgültigkeit versinken lassen, von der sie nichts wieder befreien kann>
Friedrich Melchior Baron von Grimm
Was ich sie bei dieser Gelegenheit auch noch fragen würde: <Welchen Zacken brichst Du dir eigentlich aus der Krone, gingest Du nicht ganz so eitel durch die Welt?! Wenn Du ein paar Augen mehr für die unzählig mannigfaltigen Möglichkeiten des Lebens offen halten und nicht nur in den Spiegel gucken würdest?!>
Ein Trauerspiel, wie viel sich dadruch genommen wird. Denn die Leute, die einem wirklich ins Herz wachsen, strahlen das aus, was man Verbindlichkeit nennt. „Lass mal die Arroganz weg!“, sagte vor Jahren mein Bekannter X. der Bekannten Y mitten ins Gesicht. Was in erster Linie unglaublich entblößend erschien, war in Wirklichkeit die Chance schlechthin aufzuwachen. Gesprochen zwischen Freunden.
Eine bewundernswerte Frau zollt jedem den gleichen Respekt, egal welchem „Beliebtheits-Grad“ ihr Gegenüber vielleicht entsprechen mag. Alles andere kann man nur auf schlechte Erziehung zurückführen. Und sie wird ihre Schönheit dazu nutzen, ihr strahlendes Lächeln und ihre vor Begeisterung leuchtenden Augen noch zu unterstreichen. Ein Narzisst hingegen ertrinkt in seinem eigenen Spiegelbild. Aus keinem anderen Grund, als dass er sich Dank seiner subtilen Vollgefressenheit selber Steine in den Weg wirft. Denn wie meine Großmutter immer so richtig sagt, ist Arroganz immer ein Zeichen von Dummheit.