Die Selbst-Reparatur
Oder: Weshalb ein gebrochenes Herz zum Erwachsenwerden dazugehört?!
Ist es nicht eigenartig, wie unsere Gedanken uns manchmal die Hölle heiß machen können?
Es spielt vielleicht nichts zur Sache, dass sich die Erde immer noch in die selbe Richtung dreht und ein Herz nur im bildlichen Sinne brechen kann. Noch weniger relevant scheint es, dass man sich im Großen und Ganzen an bester Gesundheit erfreut, man nicht auf der Straße gelandet ist und sich niemand den Toten angeschlossen hat. Was ist es dann, was einem die Luft zum Atmen nimmt und einen in tiefster Weise demütigt? Was schürt diese Wut, diese bittere Enttäuschung, welche sich anfühlen wie physische Schmerzen und einen manchmal sogar ins Delirium katapultieren? Wozu das ganze Drama?
Sich emotional auf jemanden einzulassen, war jeher ein Risiko. Während das pure Glück nur eine Schokoladenseite zu versprechen scheint, hält Verlust viele verschiedene Facetten parat. Ob ein plötzlicher Todesfall, Untreue, Krankheit oder schlichtweg eine Abfuhr - was heimlich hinter jeder Ecke auf Verliebte lauert, ist im Grunde alles andere als romantisch. Im Rausch der Hormone will man das nur leider nicht wahrhaben. Im Gegenteil - man denkt noch nicht mal dran. Denn wie Goethe in seinem Superhit „Die Leiden des jungen Werther“ schon so richtig sagte, ist nur die Liebe vollkommen, die unerfüllt bleibt. Wie sollte es auch anders sein? Warum wäre eine erwünschte Zweisamkeit von vorne bis hinten fabelhaft gewesen, nur weil sie derartig in meiner Vorstellung existiert?! Vielleicht ist eine Beziehung mit ihr/ihm zehn Mal witzloser als eine Freundschaft? Vielleicht wollte X dich nur an der Seite haben, um die eigene Leere zu füllen?? Ich könnte mich an diesen unendlichen Möglichkeiten hier tot-philosophieren (warum es nicht klappte), denn man wird sie sich so oder so nicht zu Herzen nehmen, wenn es einen mal wieder trifft wie ein Blitzschlag. Denn in unserer Illusion ist das Unerreichbare natürlich perfekt! Und der/die Verlorene der Messias in Person.
<You know how the time flies
Only yesterday was the time of our lives>
singt Adele auf ihrem letzten Album 21 - so mancher nannte sie die erfolgreichste Heulsuse der Popgeschichte. Doch warum bewegte sie wohl 18,1 Millionen Plattenkäufer (Zahlen IFPI) und überholte damit sogar so coole Macker wie Eminem? Weil anscheinend niemand davor gewahrt ist, sich in den Falschen zu vergucken?! Weil jeder Erwachsene sein Herz schon das ein oder andere Mal zusammenflickte und Stimmwunder Adele mit ihren niedlichen einundzwanzig Jahren ihnen sozusagen aus der Seele sprach?
In Selbst-Therapie hat sich die Sängerin jenen Herzensbrecher ganze 46 Minuten lang vorgeknüpft und ihr Leid mit einer weltweiten Fan-Gemeinde geteilt. Großzügig, dass sie bis heute keinen Namen fallen gelassen hat - wo er doch von heute auf morgen zum Staatsfeind Nr. 1 mutieren könnte. Doch das ist genau der Punkt. Adele hat sich den Kummer von der Seele gesungen und nebenbei ganz aus Versehen ein Meisterwerk geschaffen. Denkt man genauer drüber nach, scheint es ein gängiges Phänomen, dass besonders der kreative Geist stets ein geeignetes Ventil für sein Drama findet. Ob es nun Van Gogh mit seinen flammenflutenden Farben war, Johann Wolfgang Goethes Durchbruch mit <Die Leiden des jungen Werther> oder nun Adele, die sich Dank ihrer unerfüllten Liebe eine goldene Nase sowie einen Haufen Grammys verdiente. Anstatt sich zurückzuziehen und im Stillen die eigenen Wunden zu lecken, gläserweise Nutella zu löffeln, oder sich ein L auf die Stirn zu tätowieren, fokussierte sie all ihre Kraft auf die Kunst.
Natürlich sprüht nicht jeder vor Phantasie und natürlich führt nicht jeder gleich wochenlang die Charts an, nur weil der/die Herzbube/-dame einem leider die Zukunft "ruinierte“. Nichtsdestotrotz hilft es auch hier, sich nicht zu wichtig zu nehmen. Ja, es wird ein langer Weg werden, bis man jemanden vollends aus dem Gedächtnis radiert und ja, die einzig wirkende Medizin ist auch hier die Zeit. Weder sich hängen zu lassen, noch sich in Partys und kurzen Liebeleien zu verlieren wird helfen, davon auf der Stelle loszukommen. Es heißt die Zähne zusammenzubeißen und sich erhobenen Hauptes aus dem Sumpf zu ziehen. Sei es ein neues Hobby, ein Karrieresprung, ausgiebiger Sport (bekanntlich das beste Mittel gegen Depressionen) und jeder Menge Selbstdisziplin. Oder eine neue Liebe.
Einige Jahre später wird man auf jenes schwarze Loch in seiner Zeitleiste gucken und sich wundern, dass man, oh Wunder, doch noch am Leben ist. Besser noch, man ist erwachsen geworden. Oder, wenn es nicht das erste Mal war, noch ein Stück reifer. So schmerzhaft jene Erfahrung gewesen sein mag, so sind es genau jene, die einem Empathie lehren. Denn wen es einmal eiskalt erwischte, der wird ohne Zweifel einfühlsamer auftreten, sollte er selbst mal einen Traum zerplatzen lassen. Weil man weiß, was der andere dort erfährt und dann hoffentlich mehr als die kalte Schulter zeigt. So wie die inzwischen etwas optimistischere Adele es mit ihrem neusten Song Hello beschreibt. Wahrhaft macht man jedoch erst Limonade aus den Zitronen des Lebens, wenn man erwiderte Liebe Dank dieser Erfahrung mehr zu schätzen weiß.