Ein Wort, das man streichen sollte
Slut,
puta, salope,
sciattone, cýka, SCHLAMPE
Endlos die Fortsetzung, eingebrannt in unseren Köpfen als Universalbegriff. Ein Wort, das leicht über die Lippen geht und Sekundenkleberartig einzieht, einen giftigen Geruch verströmt und ebenso schwer abzustreifen ist. Sind wir uns allerdings über seine Bedeutung einig? Ich glaube nicht!
„Viele Besucher zertreten die Blumen im Garten“ besagt das liebe, alte Sprichwort und wie eine Selbstverständlichkeit, dass Säuglinge zum Beispiel nicht vom Storch gebracht werden, ist es klar wie Kloßbrühe, wovon hier die Rede ist.
Mit größtem Vergnügen besuche ich tagtäglich eine Sprachschule und habe das Privileg, Menschen aus allen Winkeln der Welt anzutreffen; ja über die Zeit sogar näher kennen zu lernen. Man sitzt nicht nur von morgens bis abends auf einem Haufen und schiebt sich Geschichten über des Vaterlandes Sitten, Bräuche, politischen Niederlagen oder humorvolle Kundgaben zu. Wissensgierig kann man gar nicht genug aufsaugen an Multikulti-Input. Doch man sieht sich gegenseitig nicht nur in der Bibliothek brüten, um ein Klosterdasein handelt es sich schließlich nicht. Lava, Bridge oder Purple Turtle halten stets die Türen offen, um gemeinsam die Nächte durchzutanzen. Sich vielleicht von einer anderen Seite zu präsentieren.Und aus der Sicht des so, oder so kulturell geprägten Auges wirkt das anziehend oder abstoßend.
Eine ulkige Anekdote bekam ich von Freundin Elena erzählt. In ihrer Anwesenheit hatte es sich nämlich zugetragen, dass ein Araber wiederum ein Mädchen im bodenlangen Rock hinterher geschaut und wohl einen raschen Blick auf kahle Haut erhascht hatte. Was er daraufhin zu Elena sagte, ließ uns beiden Europäer erstaunt auflachen. „This girl has really sexy ankles!“
Vieles denkbar - aber sexy? Knöchel?!
Hintenüberkippen würde er wahrscheinlich, klicke er versehentlich auf ein screening der Victorias Secret Show, oder vielmehr, verirrte er sich an einen FKK-Strand! Was für uns die schönsten Frauen der Welt sind, welche wir für Millionengagen Diamantenbesetzte Dessous präsentieren lassen, sind in anderer Kultur vielleicht die Luder schlechthin. So weltverschieden demnach die Ansichten von sexy und so schmal das Band zwischen Verführung und Schande.
Komisch ist dann aber doch, dass sich über das Wort "schlampig" alle einig sind! Egal, woher man stammt, ist das Wort aus dem Lexikon nicht wegzudenken.
Schlampe, die
Wortart: substantiv, feminine
Gebrauch: umgangssprachlich abwertend,
1. unordentlich, in ihrem Äußeren nachlässige und ungepflegte weibliche Person, schlampige Frau
2. Frau, deren Lebensführung als unmoralisch gesehen wird
Generell bin ich für jede Kultur offen. Jungen Alters ans Entdecken und Reisen herangeführt, schätze ich jegliche Form von Weltoffenheit und denke, es gibt nie genug von anderen Ländern zu erfahren/zu lernen. Genauso utopisch ist es auch zu erhoffen, dass alle Planetenbesetzer eines schönen Tages einer schönen Meinung sein werden; dafür herrscht wahrscheinlich doch zu sehr Vielseitigkeit. Und das ist gut so!
Was ich hingegen nicht leiden kann, ist diese über Jahrhunderte etablierte Moralvorstellung – in aller Kultur! Wie hat Frau zu sein?!
Und ja, an dieser Stelle muss ich nun leider die Feministin heraushängen lassen (eigentlich nicht mein Markenzeichen), denn einer männlichen Version von Schlampe, Hure, wie auch immer(...) haftet noch längst kein solcher Verruf an! Wenn er überhaupt schon existiert?!
Wo bei der weiblichen Sorte schnell über „Verbrauchtheit“ die Nase gerümpft, wird beim anderen Geschlecht doch über „Erfahrung“ gern anerkennend die Braue gehoben. Ehrlich gesagt. Deshalb lasse ich die Frage nach „Wie hat Mann zu sein“ beiseite, das beantwortet er sich in fast allen Teilen der Welt nämlich selbst.
Jedem wie es ihm gefällt - wie klingt das?!
Schließlich ist es doch jedem selbstüberlassen, wie er sich dem anderen Geschlecht präsentieren will und in wieweit er Fokus auf seine Keuschheit legt. In seinem täglichen Verhalten, der Weise sich zu kleiden, oder beispielsweise auf dem Heiratsmarkt aufzutreten - man wird immer an einer Weggabelung stehen. Doch egal, für was man sich entscheidet, ob man der Spur eines sittenstrengen oder eher freizügigen Lebensstils folgt, es ändert nichts am Wert des Menschen. Eine Nonne ist nicht besser als ein Pornostar und andersherum! Soviel meinerseits.
Und wann hört ein Mädchen eigentlich auf, schlampig zu sein? Wenn sie keinen statt einen Ausschnitt zur Schau trägt, ihre Beine in bodenlange, statt luftige Miniröcke hüllt, ihr Haar unter einem Schleier verbirgt, statt es über die Schulter fallen zu lassen und so weiter und so fort. Ich kann nur schwer glauben, dass Gott sich so viel Gedanken um Mode gemacht hat!
Ja, diese Idee ist soweit auf den Gipfel getrieben, dass manche Frauen sogar als unrein gelten, gehen sie nach zehn auf die Straße, verschwenden sie ihre Unschuld vor der Ehe, oder, im tragischsten Fall, nicht beschnitten sind. Noch heute.
Alles, was ich versuche, zu sagen, ist, dass die Schlampe sich in unserem Denken festkrallt und eine Furcht lostritt, unter der Menschen die verquersten Dingen anstellen. Und kann es nicht sein, dass die „richtige Bahn“, in die Regelkodexe Fraun/Schwestern/Töchter doch noch oft zwingen, nicht in der Sackgasse namens Unfrei endet?!
Letztendlich ufert doch alles in einem schlicht idiotischen Moralkonzept aus. Und unser Normalgebrauchwort Schlampe verliert hierbei jegliche Relation. Aus Respekt vor seinen wahren Opfern - warum es nicht aus seinem Vokabular streichen?!
Letzte Nacht hielt mich eine Reportage vom Schlafen ab, wie ich sie schon lange vermisst habe. Intelligent, unterhaltend, informativ, bewegend!
Sie traf mich sehr ins Herz, besonders weil sie mir meine Unwissenheit wie Schuppen von den Augen fallen ließ. Doch höchst beeindruckend war nicht nur ihre erschreckende Aufklärung, sondern viel mehr ihre ungeheuer kraftvolle Botschaft. Am Anfang steht doch immer ein Gedanke, eine Idee. Und was, wenn man diese Idee eines Tages modernisiert?!
http://www.channel4.com/programmes/the-cruel-cut